Das war mein Vipassana: 10 Tage schweigen und meditieren

Ich schweige jetzt! (1)

10 Tage schweigen und meditieren und auf alle Geräte verzichten. Das wollte ich gerne ausprobieren. Denn ich bin die, die immer wieder ihre mentalen Grenzen sucht. Gesagt - getan. Hier kannst du erfahren, wie es mir auf meinem Vipassana Retreat erging. Und lasse es mich vorweg nehmen: Es war ein steiler Ritt. In meinem Kopf.

10 Tage Vipassana: Schweigen, meditieren und Digital Detox!

Mein Vipassana Start ist nun genau einen Monat her. Höchste Zeit also, dass ich darüber berichte, denn viele Menschen warten auf meine Erzählung.

Es gibt so viel dazu zu sagen!

Zuerst kurz: Was ist eigentlich Vipassana?

Vipassana ist eine der ältesten Meditationsformen Indiens und bedeutet, die Dinge zu sehen, wie sie wirklich sind. Wenn du mich fragst, dann geht es darum, den Frieden in sich selbst zu erzeugen, um ihn in die Welt zu bringen. Denn: Wie im Innen so im Außen.

Der Birmese Satya Narayan Goenka (1924-2013), der als umtriebiger Geschäftsmann unter "unheilbarer" Migräne litt, kam - nachdem ihm sogar schon Morphium zur Linderung seiner Beschwerden verabreicht wurde - durch Vipassana dann doch noch zur Heilung und wurde zum begeisterten Schüler und später Lehrer der Methode und schließlich zum Begründer des Internationalen Vipassana Verbandes in dessen Rahmen man auf der ganzen Welt Retreats im Ausmaß von 10 Tagen (oder noch länger) besuchen kann.

Auf diesen Retreats wird einem die Vipassana Meditation gelehrt. Wichtig ist (mir zumindest), dass dies völlig unentgeltlich geschieht. Erst ist Nachhinein darf man - falls gewünscht - einen beliebigen Betrag spenden. Somit steckt (nach meinem Dafürhalten) keinerlei finanzielles Interesse hinter dem Verein, sondern nur der ehrliche Wunsch, möglichst vielen Menschen "Dharma", den Weg zur universellen Befreiung zu lehren. Dieser geschieht - auch wenn ursprünglich buddhistischer Natur - vollkommen Religions-unabhängig.

Begibt man sich auf ein solches Retreat, unterwirft man sich einigen Regeln, wie dem "edlen Schweigen", dem Abgeben aller technischer Geräte und dem Schwur, nichts zu töten, nicht zu lügen und noch einigen Regeln mehr.

Warum wollte ICH so etwas machen?

Die Antwort nach meiner Motivation für ein solches Retreat ist sehr komplex, da gibt es keine einfache, gerade Antwort.

Zum Ersten liebe ich es, mich aus meiner Komfortzone zu begeben. "Live Your Full Potential" ist schon seit über einem Jahrzehnt ganz offiziell mein Lebens-Motto und irgendwie eigentlich schon mein ganzes Leben lang. Dabei geht es mir nicht um Bungee Jumping oder Fallschirmspringen, sondern um diverse geistigen Herausforderungen, die mich immer wieder aus der Komfortzone katapultieren und - da bin ich mir sicher - dadurch wachsen lassen.

Zweitens habe ich mich mit Meditation schon viel auseinandergesetzt. Immer wieder will ich ernsthaft täglich meditieren. Eine Zeit lang gelingt es mir, dann holt mich der Stress, die Arbeit, das Leben einfach wieder ein. Tatsache ist, dass ich noch immer nicht das Gefühl in mir spüre, es "richtig" zu machen, denn es ist so schwierig, beim Meditieren eine klare Referenz zu haben.

Drittens habe ich manchmal das Gefühl, dass ich mich ständig selbst überholen will. Ich bin ein kreativer Mensch und in mir sprudeln beständig neue Ideen. Die ich dann auf der Stelle umsetzen möchte. Das führt dazu, dass ich immer viel zu tun habe. Das macht mir auch sehr viel Freude! Alles, was ich tue erfüllt mich, das andere tue ich nicht. Und doch: manchmal wünsche ich mir, dass in meinem Kopf etwas mehr Langsamkeit Einkehr hält und ich mehr Momente finde, wo ich einfach innehalte und nichts tue. Vielleicht kann ich das in der Meditation finden.

Viertens plagen mich schon seit Jahren wiederkehrende Gelenksschmerzen, die nach wie vor keinerlei Diagnose haben. Meine Schwester, die Vipassana letztes Jahr gemacht hat, hat mir erzählt, dass sie guten Kontakt zu ihrem Körper aufgenommen hat und so einige Wehwehchen losgeworden ist. Vielleicht trifft das auch auf mich zu.

Fünftens war ich eigentlich schon mal vor 5 Jahren zu Vipassana angemeldet, doch damals wurde dann mein Vater krank und hatte genau zu jener Zeit einen OP-Termin. Klar, dass ich dann nicht ohne Telefon sein wollte und das Retreat absagte. Doch danach hatte ich nie wieder genügend Motivation gefunden, mich neu anzumelden. Es war also eigentlich schon sehr lange überfällig und die Begeisterung meiner Schwester führte schließlich dazu, dass ich es nun endlich selbst wissen wollte. Meinem Vater geht es übrigens wieder gut. Das ist natürlich auch wichtig!

Was für mich auch spannend war: Wenn ich im Vorfeld über Vipassana sprach, traf ich natürlich Menschen, die das schon gemacht hatten. Alle sprachen in höchsten Tönen davon, also dass es wirklich ein einschneidendes Erlebnis in ihrem Leben war. Doch trotz allem ist meine Schwester die einzige, von der ich weiß, dass sie daraus eine tägliche Meditations-Praxis entwickelt hat.

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Tag 0 - Ankommen

Alle Geräte abgeben

Wenn ich Menschen erzähle, dass ich 10 Tage Schweigen war, dann antworten viele, dass sie sich das überhaupt nicht vorstellen können. Komisch, denn über das Schweigen habe ich herzlich wenig nachgedacht. Es hat mich vorher, nachher und auch während des Retreats praktisch gar nicht bekümmert.

Viel, viel mehr habe ich als Online Unternehmerin darüber nachgedacht, ob ich tatsächlich volle 11 Tage offline sein kann. Schon Wochen davor habe ich über alle Eventualitäten nachgedacht, mein Team Job-Beschreibungen erstellen lassen, selbst jede Menge Skripte verfasst und außerdem 25 eMails vorprogrammiert.

Am 15. Juli war es dann so weit. Kurz vor dem Retreat Center machte ich noch auf einem Supermarkt Parkplatz Halt, öffnete ein letztes Mal meinen Laptop und bearbeitete noch schnell die letzten eMails und Whatsapp, die in den letzten Stunden meiner Anfahrt eingegangen waren. Danach hatte ich Inbox (0), schaltete alles ab und fuhr ins Center, wo ich mich anmeldete und meine Geräte abgab.

Mehr zu meinem Digital Detox erzähle ich übrigens in einer Podcast Folge.

Inbox Zero

 

Eine Welt mit strenger Geschlechter-Trennung

Im Dhamma Dvāra Meditationszentrum in Triebel, wo ich mein Retreat verbrachte, waren wir rund 60 Frauen und 60 Männer. Durch blaue Kordeln waren die Bereiche streng voneinander getrennt, denn wir schliefen und aßen in gesonderten Bereichen. Nur in der Meditationshalle waren wir gemeinsam, doch auch hier herrschte Geschlechtertrennung durch eine unsichtbare Grenze in der Mitte - und wir hatten jeweils eigene Lehrer - wir Frauen eine Lehrerin.

Ich erhielt ein Zweibett-Zimmer, das kaum größer war, als die beiden Betten Platz brauchten, Klo und Bad war am Gang. Meine Zimmernachbarin - nennen wir sie Silvia - war in meinem Alter und mir von Anfang an sympathisch. Schnell klärten wir die wichtigsten Dinge, wie zum Beispiel ob wir in der Nacht das Fenster offen halten wollten (ja!), gut so, denn nach dem Abendessen (wo noch kräftig gequatscht wurde), ging es zum ersten Treffen in die Meditationshalle - und danach herrschte auch schon das "edle Schweigen".

Wir wurden nochmals an die Regeln erinnert. Neben den bereits genannten war es vor allem wichtig, sich nicht vom Gelände zu entfernen und die anderen so gut wie möglich zu ignorieren, nach dem Motto störe die anderen so wenig wie möglich und lasse dich durch Störungen von anderen so wenig wie möglich aus dem Konzept bringen.

Das war es also, das Abenteuer hatte begonnen.

Tag 1 - Willkommen im Meditations Boot Camp!

Tagwache um 4 Uhr morgens!

Meine erste große Ernüchterung kam, als ich verstand, dass der gesamte Stundenplan verpflichtend war. Ich hatte ihn mir auf Anraten meiner Schwester fürsorglich sogar ausgedruckt und natürlich einen Blick darauf geworfen: Meditation in der Meditationshalle wechselte sich mit Meditation auf dem Zimmer ab. Was mir aber eben erst dämmerte war, dass auch das Meditieren am Zimmer nicht freiwillig war! 

In Vorbereitung auf das Retreat hatte ich mich auf ein wenig Ruhe und Zeit zur Kontemplation gefreut. Ich wollte im wunderschönen Garten spazierengehen und eventuell auch mal ein Schläfchen zwischendurch machen - schließlich war täglich Programm von 4:30 bis 21:00 Uhr!

Nun wurde mir klar, dass ich mich zu täglich 10 Stunden Meditation committet hatte! 10 Stunden mal 10 Tage: ich hatte also 100 Stunden Meditation vor mir. Ein wahres Meditations Boot Camp! Diese Erkenntnis traf mich dann doch etwas unvorbereitet!

Einatmen und Ausatmen!

Am ersten Tag ist unsere einzige Aufgabe, unseren Atem zu beobachten. Klingt einfach, ist es aber nicht! Ich schweife immer wieder ab. Monkey Mind nennt das der Buddhist. An alles mögliche denke ich, bis ich vor Schreck wieder feststelle, dass ich mich eigentlich auf meine Nasenlöcher konzentrieren sollte. Zeitweise ärgere ich mich über mich, zeitweise haue ich den Hut drauf und lasse meine vielen anderen Gedanken rein. Ist das überhaupt ernstzunehmende Meditation, die ich da betreibe?

Hat Jesus gelacht?

Meine Zimmer-Kollegin hält sich streng daran, dass sie mich möglichst ignoriert. Das macht ganz viel mit mir! Es fühlt sich an, als wäre ich mit meiner besten Freundin auf Sommer-Ferienlager und wir hätten uns kräftig gestritten und müssten nun trotzdem das Zimmer miteinander teilen. Auch die meisten anderen Frauen rennen nur noch mit steinerner Mine herum. Es fühlt sich ein bisschen so an, wie in "die Frauen von Stepford", wo eine nach der anderen gegen einen braven Klon ausgetauscht wird, damit sie ihren Männer keinen Ärger mehr machen. Ich frage mich, warum es notwendig ist, die Mitmenschen komplett zu ignorieren. Schweigen ja, aber warum soll ich so tun, als gäbe es die anderen gar nicht? Im Laufe der nächsten Tage suche ich daher mit den Augen Verbündete: Ich lächle andere Frauen an und freue mich über die wenigen, die - wenn auch etwas heimlich - zurücklächeln.

In der vielen Zeit, die ich zur Kontemplation habe (und eigentlich ausschließlich meditieren sollte), erinnere ich mich an das Buch von Umberto Eco "Im Namen der Rose", wo es im Kern darum geht, ob Jesus gelacht hat oder nicht. Ich lache jedenfalls gerne! Eine Tante hat mir einmal gesagt, dass sie nie ein anderes Baby erlebt hat, das so ansteckend gelacht hat, wie ich einstmals.

Schon einen Tag später lache ich auch mit Silvia über diverse Situations-Komik, die eben so entsteht, wenn man sich mit einem wildfremden Menschen schweigend das Zimmer teilt. Gleichzeitig weiß ich natürlich, dass hier nur mein Monkey Mind Resonanz braucht und es hier eigentlich um etwas anderes gehen soll - doch einmal Revoluzerin, immer Revoluzerin. Es fühlt sich gut an!

Ein Vorbild für jedes Franchise

In der System-Gastronomie (also zum Beispiel McDonalds) kann man sich darauf verlassen, dass der Big Mac überall gleich schmeckt. Ähnliches kann man wohl auch über den Internationalen Vipassana Verband sagen, denn was mir vorher nicht klar war: Hier passiert so gut wie nichts individuell. Alles ist genau so, wie es der vor 11 Jahren verstorbene Meister geprägt hat. In diesem Sinne kommt keinerlei Lehre von unserer Lehrerin oder dem Lehrer für die Männer. Diese sind mehr oder weniger nur dazu da, die Energie zu halten, den Rahmen zu wahren und zu bestimmten Gelegenheiten Fragen zu beantworten.

Alle Instruktionen kommen ausnahmslos direkt vom Meister vom Band - auf Deutsch und Englisch. Und am Abend gibt es dann noch einen etwa einstündigen Vortrag von Goenka, der im Jahr 1991 aufgenommen wurde. In der englischen Version (für die ich mich entschieden habe, nachdem ich alles im Original anhöre) auf Video, auf Deutsch nur als Audio. Zudem gibt es Angebote in fast allen anderen Sprachen, die von einigen der sehr internationalen Teilnehmenden dann in den Meditations-Zellen gehört werden können.

Schade, den Unterricht hatte ich mir schon etwas individueller und persönlicher vorgestellt!

Die Stunde mit dem Meister

Trotzdem wird der abendliche Vortrag bald zu so etwas wie einem Tages-Highlight auf das ich mich freue. Und es ist unglaublich, wie gut Goenka meine jeweiligen Gefühls-Zustände trifft. So redet er am ersten Abend vom "wandernden Geist". Bingo! Den habe ich heute pur erlebt. Er erzählt, dass wir diesen reinigen wollen - und zwar nicht nur ein bisschen, sondern an der Wurzel.

All unsere Gedanken verursachen feste Knoten in uns und wir sind durch unsere Atem-Übungen auf dem Weg zu deren Ursachen. Wir wollen uns selbst besser kennenlernen ("know thyself!") und immer feinere, subtilere Gefühle wahrnehmen. Denn eigentlich ist es so, dass unser Geist nur an zwei Orte gehen kann, wenn er wandert: In die Zukunft oder in die Vergangenheit. Das alles, um dem Jetzt zu entfliehen. Und an diesen Orten kann man im Prinzip zwei Qualitäten unterscheiden: angenehm oder unangenehm. 

Das heißt wir erinnern uns an schöne Dinge in der Vergangenheit oder wünschen uns diese für die Zukunft oder aber wir erinnern uns an etwas Unangenehmes oder wollen in Zukunft nicht dorthin. Und somit ist auch schon ein buddhistisches Grundprinzip - und vor allem eines des Vipassana - geklärt: Unser Glück liegt darin, dass wir uns lösen! Nämlich von all unseren Anhaftungen, also nicht nur von unseren Abneigungen sondern auch von unserem Verlangen! Erst dann sind wir frei!

Goenka ist ein großartiger Storyteller. Wie wohl Buddha oder auch Jesus erzählt er ein Gleichnis nach dem anderen - und das recht humorvoll (wobei wenn man 10 Tage nicht redet, lacht man gerne mal!).

Zum oben Gesagten liefert er die Geschichte von der heißen Kohle: Spritzt man Wasser darauf, dann zischt sie. Doch umso öfter man sie besprüht, desto leiser wird das Zischen, bis es eines Tages ganz verebbt. 

Und das wollen wir nun mit unserem Geist tun: Gleichmut zu erlangen ist unser oberstes Ziel!

Zum ersten Mal höre ich Goenkas "Strapline", die er ab jetzt täglich zum Schluss der Videos sagt:

"May all living beings live in real peace, real harmony and real happyness!"

Man spürt bis ins Mark, dass ihm dies tatsächlich ein übermäßig wichtiges Anliegen ist!

Tag 2 - Schmerzen!

11 Stunden sitzen - täglich

10 Stunden täglich meditieren und zudem eine Stunde Video-Vortrag von Goenka. Alles in allem bedeutete das, 11 Stunden am Tag am Boden zu sitzen. Wow! Für mich vor allem verwunderlich war hierbei, dass wir keinerlei Anweisung bekamen, wie das auszuhalten sei. Es wurden zwar diverse Kissen zur Verfügung gestellt, aber keine Erklärung, wie wir diese am besten einsetzen sollten. Zum Glück hatte meine Schwester mich gebrieft: Sie hatte mir empfohlen, alle Hohlräume mit den kleinen Kissen regelrecht auszustopfen und vor allem auch auf eine Unterstützung der Arme nicht zu vergessen. Das war auf jeden Fall ein guter Rat!

Trotzdem: In der Mitte des zweiten Tages kann ich nicht mehr. Mein Rücken ist eine einzige verkrampfte Platte - und das obwohl ich entgegen der Aufforderung auch im Zimmer beim Meditieren zu sitzen, regelmäßig einfach in meinem Bett liege. Und einschlafe. Und zu schnarchen beginne - bis mich Silvia schüttelt. Die Arme! Ich habe ihr jedenfalls schon Ohropax geschenkt. Im Gegensatz zu mir ist Silvia mustergültig. Sie hat ihren eigenen Meditations-Schemel mitgebracht und kniet die ganze Zeit - oft zwei Stunden am Stück! Mir tun die Knie schon nur beim Zusehen weh!

Am Nachmittag gebe ich auf, ich gehe zur Meditationslehrerin und bitte, ob ich mein Meditationkissen nach hinten an die Wand verlegen kann, um mich zeitweise anlehnen zu können. Doch auch das hat seine Tücken, denn nach indischer Tradition darf ich dem Lehrer meine Füße nicht direkt entgegenstrecken, da das respektlos ist - und so muss ich ständig achten, dass ich schief sitze, was nicht unbedingt gegen Kreuzweh hilft.

Diesen Platz  ganz hinten behalte ich dann während des gesamten Retreats. Und obwohl das Anlehnen Erleichterung bringt, fühlt sich mein Körper die ganze Zeit an wie damals, als ich am Jakobsweg in den Schweizer Bergen unterwegs war.

Doch ich bin schon sehr froh, nicht mehr dicht gedrängt auf einem ein Quadratmeter großen Platz mittendrinnen sitzen zu müssen, denn hier fühle ich mich etwas freier - und habe auch mehr Gelegenheit, die anderen zu beobachten - was ich natürlich nicht soll! Und trotzdem ist es spannend, die Techniken der anderen zu sehen, die sie verwenden, um halbwegs schmerzfrei sitzen zu können. Und auch sonst, was sie so tun und was nicht... Monkey Mind Alarm.

Der noble Pfad

In unserem Video Vortrag, der Diskurs genannt wird, lernen wir heute über den achtfachen noblen Pfad, der auch durch die acht Speichen im Dharma Rad symbolisiert wird. Es ist so etwas ähnliches wie die buddhistischen zehn Gebote, also edle Lebens-Regeln. Die letzte Speiche ist Samadhi, das ist die meditative Bewusstheit - ist diese erreicht, dann sehen wir die Dinge, wie sie wirklich sind - was ja das Ziel von Vipassana ist. Goenka spricht hier auch noch von Sama Samadhi als allerhöchstes Samadhi.

Pali

Ich erkläre hier natürlich alles nur so, wie ich es verstanden habe, kann sein, dass ich so manches daher zu sehr vereinfache - sieh mir das nach, denn ich bin ja noch nicht 😎 dort. Viel der verwendeten Worte sind in Sanskrit oder auch in Pali, das ebenfalls eine heilige Sprache ist. Goenka chantet auch immer wieder auf Pali. Die Worte und Melodien sind für unser Ohr wohl eher gewöhnungsbedürftig.

Wir atmen noch immer

Auch am zweiten Tag beobachten wir nur unsere Atmung rund um die Nasen-Öffnungen. Ich hätte nie gedacht, dass man sich damit zehn Stunden am Tag beschäftigen kann. Und ich persönlich kann das auch nicht! Immer wieder schweifen auch an diesem Tag meine Gedanken. Wie gewohnt bin ich (wenn ich nicht im Jetzt bin) hauptsächlich in der positiven Zukunft. Mir kommen geniale Ideen für mein Business - doch ich merke jetzt schon, dass mir etwas die geistige Schärfe fehlt, um gleich zu beurteilen, wie gut diese tatsächlich sind. Es fühlt sich jedenfalls gut an.

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Tag 3 - Widerstand

Tage zählen

Von Anfang an hatte ich das latente Gefühl, eingesperrt zu sein. Was natürlich nur relativ stimmt, denn hundert Meter weiter parkt mein Auto und es gibt auch keine Mauern, sondern nur eine blaue Kordel. Was mich hält ist mein freiwilliger Schwur. Und dennoch: Wie in so mancher Comic-Zeichnung male ich schon jetzt virtuell Striche an die Wand: 2 Tage geschafft, noch immer acht vor mir, beziehungsweise sogar neun, denn wir reisen ja erst an Tag 11 ab.

Der Report der Magd

Ich bin es seit über einem Jahrzehnt gewohnt, jede Minute meines Tages selbst zu bestimmen. Hier wird mein Tages-Ablauf von morgens früh bis abends spät diktiert. Überall sind viele Menschen - auch das bin ich nicht gewohnt. Überall stelle ich mich schweigend an, egal ob es das Zähne putzen, das Duschen oder die Toilette ist. Für mich ist das surreal und ich komme mir zeitweise vor, wie im "Report der Magd" von Margret Atwood - nur die roten Roben fehlen.

Geht das nicht schneller?

Scheinbar bin ich geistig wo anders als die meisten meiner Mit-Insassinnen, denn diese haben offensichtlich die Langsamkeit für sich entdeckt. Es ist unglaublich, we lange man brauchen kann, um sich Essen zu nehmen oder den Teller bei der Geschirr-Station vor-abzuwaschen. So manche steht hier tief versunken und ist sich scheinbar vollkommen unbewusst darüber, dass hinter ihr zehn weitere Frauen anstehen. Besonders schlimm ist es beim Brot-Buffet. Dort haben zwei Frauen direkt Platz. Warum - in Herrgotts Namen - müssen diese sich die Brote dort in Seelenruhe schmieren, anstatt die gewünschte Menge Butter und Marmelade auf den Teller zu laden, um das Brot bei Tisch zu streichen und Platz für die anderen Wartenden zu machen?

Solche Momente zeigen mir, wie weit ich noch von der Erleuchtung entfernt bin! 

Sind die anderen schon näher, weil sie zu allem steinerne Mine machen und unendlich Zeit zu haben scheinen? Ich weiß es nicht.

Sooo müde!

Ein Grund, warum ich mich mit dem Essen beeilen will, ist dass ich jede Essenspause nutze, um mich kurz schlafen zu legen. Und tatsächlich schlafe ich auch immer sofort ein, denn mir fehlt es gewaltig an Schlaf. Obwohl ich mich eigentlich als Frühaufsteherin bezeichnen würde: 4 Uhr Tagwache ist nichts für mich und um 21 Uhr sind wir meist noch gar nicht fertig, da machen wir noch "Überstunden" und dann muss ich erst einmal ins Haupthaus zurück, mich eben ums Duschen und Zähneputzen anstellen - und wenn ich dann um 22 Uhr endlich im Bett liege kann ich auch nicht gleich einschlafen. So bleiben mir maximal 5 Stunden Schlaf. Mir reicht das nicht. Ich habe mal gehört, dass viel Meditation einige Stunden Schlaf ersetzen kann. Für mich stimmt das jedenfalls nicht.

Kleine Fortschritte

Auch am dritten Tag beobachten wir nur den Raum um unsere Nasenlöcher beim ein- und ausatmen. Anapana heißt diese Grundform der Vipassana Meditation. Es geht nur um die Achtsamkeit auf den Atem - ganz ohne Intentionen etwas verändern zu wollen. Und jetzt am dritten Tag merke ich endlich deutlich, dass ich es viel länger schaffe, dabei zu bleiben. Wir achten auf die subtilen Gefühle, die dabei entstehen und heute ist es endlich befriedigend, was sich bei mir tut. Natürlich habe ich nicht aufgehört zu denken, aber irgendwie ist es so, als wären hier früher viele Tonspuren gleichzeitig eingeschaltet gewesen - und nun hat es sich zumindest auf eine einzige reduziert. Immer öfter befehle ich dieser, das Schnattern einzustellen und ruhig zu sein, weil sie stört. Das ist schon eine Umkehr!

Auch in meinem Schlaf tut sich einiges: Ich glaube, viel zu träumen, aber kann mich aber nicht wirklich erinnern. Jedenfalls bleibt das Gefühl zurück, dass irgendetwas in mir auf "Reset" gegangen ist, dass ich etwas grundlegend in mir ändert.

Moralisches Verhalten, Konzentration und Weisheit

Im heutigen Diskurs lernen wir, dass der achtfache Pfad sich in drei unterschiedliche Voraussetzungen teilt: Sīla (tugendhaftes Verhalten) ist die Basis für Samādhi (Kontrolle des Geistes, geistige Konzentration). Nur wenn Samādhi gut ausgebildet ist, kann man Paññā, die Weisheit, entwickeln. Diese drei Modalitäten eines edlen Lebens unterstützen einander und bauen aufeinander auf.

Tag 4 - endlich Vipassana

Zeit für ein Geständnis

Nachdem wir so viel über tugendhaftes Verhalten sprechen, wird es Zeit, eine Untugend von mir zu gestehen: Ich habe mich an eins der Gebote nicht gehalten. Mit vielem konnte ich für 10 Tage voll d'accord gehen. Ob es das Schweigen war, das Abgeben sämtlicher Geräte und auch dass ich nicht einmal eine Mücke töten darf, die sich gerade an mir labt. Was ich mir nicht vorstellen konnte war, dass ich mir 10 Tage lang kein Wort aufschreibe. Und so fragte ich auch im Vorfeld meine Schwester, ob sie sich daran gehalten hatte. Sie meinte: "ja, aber ich würde das nicht nochmals tun", auch meine Zimmer-Kollegin Silvia bereute als erstes als wir wieder reden durften, dass sie sich keine Notizen machen konnte. Nun, die kluge Frau baut vor. Ich hatte schon im Vorfeld beschlossen, mich nicht voll an dieses Gebot zu halten und habe mir ein dünnes Heftchen mitgenommen, um zwar nicht dem Monkey Mind anheim zu fallen, aber doch ein paar wenige Gedanken täglich zu notieren. Schon alleine, um dir über mein Abenteuer berichten zu können. Und ich bin froh über diese Entscheidung, denn ohne diese wertvollen Notizen, die ich nachts am Klo schnell in mein Heftchen gefetzt habe, wäre dieser Bericht nur halb so authentisch.

Darüber hinaus habe ich mir im Nachhinein nochmals alle Diskurse auf Video angeschaut, um Vipassana noch auf einem tieferen Level zu verstehen. Denn auch das ist nicht so einfach, all die neuen Wörter auseinanderzuhalten ohne sie je aufzuschreiben oder zumindest geschrieben zu sehen. Die Videos sind übrigens alle auf Youtube frei zugänglich!

Die erste große Hürde gepackt

Goenka erzählt in den Diskursen, dass die meisten am Tag 2 und Tag 6 gehen. Meine erste große Hürde war wohl eher Tag 3 würde ich sagen. Am Ende erfahren wir, dass insgesamt 8 (der etwa 120) Menschen nicht bis zum Schluss geblieben sind. Mir wäre das gar nicht aufgefallen. Jedenfalls: Auch wenn es mir nach wie vor nicht wirklich leicht fällt, geht es mir am Tag 4 eindeutig besser. Das auch deswegen, weil wir nun endlich Vipassana lernen.

Den ganzen Körper scannen

Ab heute konzentrieren wir uns nicht mehr nur auf den Bereich um die Nasenlöcher sondern gehen nach und nach den ganzen Körper durch - von Fontanelle bis Zehenspitze. Unsere Aufgabe bleibt die gleiche: Wir sollen wahrnehmen, wie sich alles anfühlt, ob grob oder subtil, einfach nur hinspüren, kurz verweilen und weitergehen. Wenn wir wo nichts spüren, dann kurz warten ob noch etwas kommt aber dann weiterscannen. Dabei sollen wir drei mal am Tag auch eine ganze Stunde völlig bewegungslos sitzen. Was ich vor ein paar Tagen noch für völlig undenkbar gehalten hätte, ist mir trotzdem nun möglich. Nicht immer, aber immer öfter.

Das Unbewusste ist gar nicht unbewusst

Über die Hintergründe lernen wir wieder vor allem im abendlichen Diskurs: Das sogenannte Unbewusste ist nur für den Geist unbewusst, der Körper ist sich sehr wohl bewusst und speichert alles ab.

Wo wir gehen und stehen erzeugen wir durch unser Handeln Saṅkhāra, das sind so etwas wie Samen-Körner. Und wie Goenka so schön gleichnishaft erzählt können aus einer Zuckerrübensaat nur süße Früchte entstehen, aus einer bitteren Saat nur bitter Früchte. Das heißt, in der Saat legen wir schon an, was sich in uns - unserem Unbewussten entwickelt.

Goenka weist darauf hin, dass viele Menschen denken, schlechte Handlungen wären das Schlimmste, doch er betont, dass vor der physischen Handlung oft schon eine verbale Handlung kommt und aber immer davor die mentale! Das bedeutet, dass negatives Saṅkhāra nicht erst in den Taten, sondern schon in den Gedanken entsteht. Und auch wenn wir uns dieser nicht bewusst sind, tragen wir alle sehr viele bittere Gedanken in uns, die wir in unseren Körpern schon seit der Geburt dort abspeichern. Unser Körper als Behälter für unser Unbewusstes ist somit der Rahmen unserer täglichen Wahrheiten.

Durch die Vipassana Meditation gehen wir somit an all die Wurzeln unserer bitteren Gedanken, einfach indem wir in unseren Körper hineinspüren und dabei Gleichmut üben.

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Tag 5 - Die Gedanken sind frei

Alles verändert sich

Anicca ist das Wort, das wir ab nun beständig hören. Das ist insofern lustig, da Anicca "Unbeständigkeit" bedeutet. Nichts bleibt wie es ist! Und weil eben das Gute wie auch das Ungute nie ewig währt, sollen wir Gleichmut entwickeln.

Auf unsere Vipassana Meditations-Praxis bezogen bedeutet das "Wahrnehmen und Gleichmut". Wir scannen also unseren Körper in dem Bestreben möglichst viele Empfindungen wahrzunehmen - egal ob fein oder grob, egal ob ein Prickeln, Temperaturschwankungen, ein Kitzeln, ein Stechen und was es da sonst noch so gibt. (Denn etwas zu spüren bedeutet immer, dass es in Veränderung ist.) Und dann ist es aber wichtig, hierzu keinerlei Gefühle zu entwickeln, sondern Gleichmut zu hegen. Denn wenn wir nun Gedanken und Gefühle starten, um unsere Empfindungen zu interpretieren, dann bauen wir neues Saṅkhāra auf, anstatt altes an den Wurzeln zu entfernen. Die Theorie ist, dass wir bei erfolgreicher Vipassana-Praxis immer subtilere Empfindungen auffinden und altes, verstecktes Saṅkhāra an die Oberfläche kommt und wir somit schlussendlich komplette Gleichmut erlangen, durch die Auflösung all unserer alten Saat. Das ist das Ziel von Vipassana: die Welt zu sehen, wie sie ist, indem man keinerlei Anhaftungen, also altes Saṅkhāra mehr hat (zumindest nach meinem Verständnis).

Die Vipassana Meditation macht mir jedenfalls viel mehr Spaß, denn hier gibt es mehr zu tun, als nur die Nasenlöcher zu beobachten und ich freue mich immer, wenn ich etwas zu tun habe. Und es geht gut voran. Im Gegensatz zu anderen, die bei der Gelegenheit den Lehrern Fragen zu stellen, scheinbar Probleme haben, ihren ganzen Körper wahrzunehmen, komme ich damit sehr gut klar.

Jukebox in meinem Kopf

Wenn man nicht spricht und nach und nach immer weniger Ton-Spuren im Kopf hat, dann kommt man auch komische Dinge drauf. Ich merke zum Beispiel, dass bei mir ständig eine Jukebox läuft. Und die hat nicht unbedingt den besten Geschmack! Zu Beginn höre ich immer wieder das alte Luther-Lied "Großer Gott, wir loben dich" in mir. Warum um Himmels Willen denn dieses Lied? Erst gegen Ende komme ich drauf, dass einer der Chants von Goenka, die wir täglich hören, eine ähnliche Melodie hat. Aber auch sonst ist es komisch, was ich mir so vorsinge: Da sind Lieder die ich erst kürzlich am Lagerfeuer gesungen habe, OK, das kann ich nachvollziehen. Aber warum "Die Gedanken sind frei!" in der Nena-Version einer Kinderlieder CD, die meine Kinder gerne gehört hatten? (Obwohl lustig ist es schon, denn Nena hat in der Corona Zeit deutlich gezeigt, wie wichtig ihr dieser Inhalt ist!) Auch sonst sind da viele Kinderlieder. Komisch. Aber kann mir bitte jemand erklären, warum plötzlich das Sauf-Lied "Und wer im Jänner geboren ist" in meinem Kopf aufspielt - und aber keiner meiner Lieblinge wie David Bowie, Andrew Strong, Meat Loaf...???

Zu anderen Zeiten höre ich einen schrillen Ton im Ohr, den ich vorher auch noch nie wahrgenommen habe. Bekomme ich jetzt Tinnitus? Schon eigenartig, was hier mit mir geschieht!

Schilderwald

Etwas anderes fällt mir auf: Hier ist alles beschriftet. Zweisprachig. Wo ich gehe und stehe tun sich Schilder auf. Und nach und nach merke ich, wie viele davon ich noch gar nicht wahrgenommen habe - wohl weil sie so omnipräsent sind. Nachdem niemand mit mir spricht wird mir alles aufgeschrieben: Wo ich gehen darf und wo nicht. Dass ich die Klopapierrollen in den Mülleimer für Altpapier werfen soll und nicht in den im Klo und dass die Teebeutel bitte nicht in den Bio-Müll gehören. Ooops! Doch: An der Anzahl der Teebeutel im Bio-Müll erkenne ich, dass wohl auch den anderen mit dem Schilderwald überfordert sind.

Eine Übung in Geduld

Nachdem ich mich darüber ärgere, dass ich mich (wie vorhin erzählt) beim Anstellen ständig ärgere - und ich mich doch nicht ärgern will, entscheide ich, dass ich hier gut Gleichmut üben kann und dass ich ab jetzt nachsichtig sein möchte mit allen, die ewig brauchen, um ihr Brot zu schmieren oder ihren Teller zu spülen. Und das Wunder geschieht: Plötzlich stehe ich nie wieder am Ende einer langen Schlange. Maximal eine Person wäscht sich mit Hingabe und Bedacht die Hände vor mir und ich komme immer relativ schnell selbst dran. Sehr spannend! Anicca - nichts bleibt gleich!

Tag 6 - Rebellion

Free Nelson Mandela!

Auch wenn ich mich in den letzten Tagen nicht mehr ganz so eingesperrt gefühlt habe, blieb trotzdem immer dieses latente klaustrophobische Gefühl. Am Tag 6 bricht es in voller Wucht wieder heraus! Ich will nicht mehr! Ich will meinen eigenen Kram tun, mir fehlt meine Geschäftigkeit! Ich habe so viele tolle Gedanken und kann noch nicht einmal dazu googeln. (Nicht googeln zu können ist übrigens tatsächlich das, was mir am allermeisten durch den Verzicht auf meine Geräte abgeht). Überall sind Menschen, das Zimmer ist miniklein und zudem knarzen die Dielen bei jedem Schritt. Nachdem Silvia ja immer gerade entweder beim Schlafen oder in Meditation ist, bin ich mehr oder weniger ans Bett gefesselt, solange ich am Zimmer bin. 

Ich zitiere im Kopf Rilkes "Der Panther" und frage mich, ob es hinter diesem Vipassana Retreat noch eine Welt gibt. Ich gedenke Victor Frankl, Nelson Mandela und all der anderen Menschen, die in Gefangenschaft leben mussten. Und sie hatten keine Auto, das hundert Meter weiter parkte. Sie konnten nicht - zumindest in Gedanken - zehn Mal am Tag in dieses einsteigen und von dannen zischen. Unvorstellbar! Ich verneige mich vor diesem Menschen, die trotz all dem die Freiheit im Kopf bewahrt haben, nicht daran zerbrochen sind und sogar Großes für die Menschheit bewirkten.

Die Gedanken sind frei!

Auch während der Meditation erlebe ich renitente Phasen. Ich bezweifle stark, dass zehn Stunden Meditation am Tag tatsächlich mehr bringen als zum Beispiel drei. Und dann wird uns quasi stündlich noch vom Band gesagt, dass wir härter und fleißiger arbeiten sollen. Meines Erachtens pädagogisch nicht gerade wertvoll! Warum dieser ständige Stress und Druck und das Gefühl, dass wir noch immer unzulänglich sind?

Ich nehme mir sozusagen frei und entschließe mich mehrmals, in der jeweiligen Stunde NICHT zu meditieren, sondern einfach anderen Gedanken nachzuhängen. Zum Glück kann einem ja niemand in den Kopf schauen! Wie viele der Menschen hier in der Meditations-Halle, die so gleichmütig vor sich hin schauen, machen eben dasselbe? Am letzte Tag, als wir wieder sprechen dürfen, weiß ich dass es nicht so wenige waren!

Anicca!

Und dann am Abend die große Wende - Annica - nichts bleibt! Goenka erinnert uns, dass Tag 6 für viele sehr schwierig ist und lobt uns, dass wir geblieben sind. Er spricht von den fünf größten Meditations-Hindernissen: Aversion, Verlangen, Müdigkeit, Hyper-Aktivität und Zweifeln. Ich denke, ich kenne sie mittlerweile alle!

Wieder spüre ich, wie überaus wichtig es ihm ist, so viel Frieden wir möglich in die Welt zu bringen. "Real peace, real harmony, real happyness!"

In mir wird plötzlich alles weich. Das will ich doch auch mit meinem Tun! Deswegen bin ich doch hier!

Nicht zum ersten Mal werde ich durch die Worte Goenkas im abendlichen Diskurs mit den Anstrengungen des Tages restlos versöhnt. Anicca! Nichts bleibt!

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Tag 7 - Durchbruch!?

Bliss!

Nach und nach werden wir Profis in der Vipassana Technik. Nachdem wir unseren Körper zuerst von oben nach unten gescannt hatten, gehen wir nun in beide Richtungen und werden dabei immer schneller indem wir stets größere Flächen gleichzeitig bearbeiten, um dann schließlich in den nächsten Tagen auch die Oberfläche zu verlassen und den Körper mit unserem Scan zu durchdringen.

Es wird immer einfacher. Die Gedanken treten mehr und mehr in den Hintergrund und stören zunehmend weniger. Gleichzeitig werden die Momente, in denen die Meditation reibungslos wie von selbst läuft, immer länger. Nicht immer, aber immer öfter.

Und dann kommt da dieser Moment - oder sagen wir besser eine ganze Zeit, in der alles prickelt und ich mich fühle, wie aufgelöst. Als hätte ich keine Atome mehr - beziehungsweise sie fühlen sich durchlässig an (was sie ja auch tatsächlich sind!). Ich werde weich. Ist das ein neues Ziel? Habe ich mit diesem Gefühl von Bliss ein neues Level meiner Meditation erreicht?

"Das geht ja wieder vorbei!"

Am Nachmittag sind wieder die neuen Frauen dran, Fragen zu stellen. Wir 40 neuen Damen werden in 8er Gruppen nach vorne zur Lehrerin gerufen und eine nach der anderen gefragt, wie es uns geht. Ich mag das nicht, denn erstens ist das eigentlich nur Massen-Abfertigung, es fühlt sich an wie in der Schule bei einer Prüfung und zweitens weiß ich jetzt schon, was jeder Einzelnen von uns gesagt wird: "Versuchen Sie es weiter!" Das geht gar nicht für mich! Denn "versuchen" heißt, es ist uns noch nichts gelungen. Dennoch berichte ich von meinen Bliss-Erfahrungen und werde auch da enttäuscht, denn alles, was ich zu hören bekomme ist:" Ach, das vergeht ja wieder!" Ok, scheinbar habe ich KEIN neues Level erreicht, stelle ich für mich fest.

Erst nach dem Diskurs am 8. Tag kann ich die Antwort der Lehrerin verstehen, denn dort betont Goenka nochmals das Thema "Anhaftung" in Bezug auf die Meditation. Er erklärt, dass nicht nur die Aversion gegen bestimmte Gefühle während des Viapassana schlecht für uns ist, sondern eben auch das Verlangen nach guten Zuständen. Manche Schüler kämen jahrelang zu Vipassana auf der Suche nach diesen Bliss-Zuständen. Doch solange sie nur diese suchen, betreiben sie eben kein Vipassana und erzeugen stetig neues Saṅkhāra anstatt altes zu eliminieren. Ok, Bliss ist keine Errungenschaft! Fühlt sich aber schon gut an!

Hello World!

Die Welt außerhalb meiner kleinen Vipassana Insel scheint verschwunden zu sein. Ohne Handy heißt eben nicht nur ohne Social Media zu sein - was ich sowieso nie nutze. Es sind andere Dinge, wie zum Beispiel schnell einmal etwas zu googeln oder meiner Tochter zu schreiben, dass ich sie lieb habe. Noch nicht einmal einen Wetterbericht habe ich ohne Handy! Hier und da höre ich durch das geöffnete Fenster Lieferanten oder die Küchen-Crew leise sprechen, ansonsten ist es still. An einem Tag fliegen ein paar schwere Hubschrauber über uns hinweg. Was wäre wenn jetzt Krieg wäre, nicht einmal das würden wir hier mitbekommen, ist mein Gedanke - das wäre wohl gleich ein Beginn für einen dramatischen Film!

Das Gelände hier ist groß mit Wiesen und sogar Wald. Die blauen Kordeln zeigen uns klar, wo wir hin dürfen - ohne der Außenwelt oder den Männern zu begegnen. Ich fühle mich wie ein Schaf.

Überall Menschen...

Es fällt mir nach wie vor schwer, eine von vielen zu sein. Überall. Mir fehlt die Me-Zeit, die ich mit mir alleine verbringe. 12 Jahre Home Office haben mich geprägt. Ich bin oft tagelang alleine zuhause , wahrscheinlich manchmal sogar den ganzen Tag schweigend (aber wohl selten offline), denn wer telefoniert heute noch? Ich liebe es, meine Ruhe zu haben. Mich mit mir selbst und meinen Gedanken, Ideen und Projekten zu beschäftigen ist mir im Leben noch nie langweilig geworden. Danach sehne ich mich jetzt.

Wie erleben die anderen Vipassana?

Nach wie vor sind den meisten Damen die Gesichtszüge eingefroren. Ich kann damit mittlerweile besser umgehen als zu Beginn, doch kalt lässt es mich nach wie vor nicht. Was geht in diesen versteinerten Köpfen vor? Haben sie ähnliche Erlebnis-Welten wie ich oder spielen sich dort ganz andere Szenen ab?

Auf jeden Fall sehe ich kaum Tränen. Kurz davor hatte ich mich von einer Jahres-Ausbildung, zu der ich mich angemeldet hatte gleich nach dem ersten Modul wieder abgemeldet, weil diese voller Drama war. Dort wurden die Menschen verantwortungslos tief in vergangene Schmerzen geführt und mehr oder weniger damit alleine gelassen. Das Ergebnis: an allen Ecken und Ende des Seminarraums wurde geflennt und geschrien. Hier auf Vipassana ist das nicht so, hier wirken die Menschen vor allem tief in sich selbst und man sieht nur hier und da ein paar stille Tränen fließen.

Dass Drama fehlt, merke ich vor allem, als eines vor meinen Augen passiert. Eine kleine pummelige Frau, die ich wegen ihrer Art sich zu bewegen im Kopf nur "die Hobbit-Frau" nenne, setzt sich immer wieder auf einen der wenigen Sessel im Meditations-Raum, die alle klar für bestimmte (schwangere und ältere) Damen reserviert sind. Die Hobbit-Frau hatte sich an Tag 0 sehr hervorgetan, dass sie schon das zweite Mal Vipassana macht. Von daher hätte sie wissen sollen, dass man um besondere Plätze wohl anfragen kann (so wie ich), aber diese nicht einfach besetzt. Denn in diesem Fall wird man weggescheucht. Doch immer wieder probiert sie es - und wird verscheucht. Beim dritten Versuch verlässt sie wutentbrannt - aber schweigend - den Raum. Ich merke, wie ich danach gespannt darauf warte, ob sie wiederkommt. Sensationsgierig! So was! Das bin ich doch sonst nicht... In meinem Kopf sage ich mir immer wieder: "Lass doch die arme Frau in Ruhe!", doch irgendwie beschäftigt sie mich - wohl einfach weil es so wenig anderes im Außen gibt und mein Monkey Mind auf der unersättlichen Suche nach Nahrung ist.

Willkommen in der Matrix

Im abendlichen Diskurs geht es vor allem darum, die beiden Elemente Wahrnehmung und Gleichmut als zwei Flügel eines Vogels zu sehen, die wir immer im Gleichgewicht halten sollen. Der Rahmen ist unser Körper, der uns stets die Wahrheit des Momentes spiegelt. Um immer besser darin zu werden, diesen in Gleichmut wahrzunehmen, sollen wir nun auch außerhalb der Meditation - eigentlich jeden wachen Moment - in Gleichmut gewahr sein. 

Denn: Letzten Endes geht es eben nicht um die Meditation, sondern um die neue Art zu leben.

Ein bisschen fühle ich ich wie Nemo. "The red pill or the blue pill?" werde ich gefragt. Wie will ich weitermachen?

Eine sehr berechtigte Frage! Was wird sich ändern, wenn ich ins bisherige Leben zurückkomme?

Tag 8 - Rebellion die Zweite

Ich will weg!

Eigentlich dachte ich, dass es nun einfacher wird. Die Meditation geht mir viel leichter von der Hand. Und doch knallt Tag 8 noch einmal so richtig kräftig rein! Ich will einfach nur weg. In Gedanken bin ich schon so oft in mein Auto gestiegen und davongefahren, weil ich mich schon so sehr darauf freue, endlich wieder meinen eigenen Stundenplan zu leben. Mehr mit mir alleine zu sein, endlich auszuschlafen, mich endlich wieder frei bewegen zu können. Doch nie bin ich (auch nur in Gedanken) VORZEITIG abgereist. Auch jetzt kreist mein Geist nur darum, wie ich es aushalten kann.

Warum eigentlich? Ich könnte ja auch gehen...

Hm, da gibt es einige Gründe. Erstens mache ich Dinge fertig, ich bin keine, die schnell aufgibt. Und gerade die Erfahrung mit der schrecklichen Ausbildung in Hannover, die ich dann doch abgebrochen habe, weil ich keinen Sinn darin gesehen habe, zeigt mir erst recht, dass ich das hier nicht abbrechen will. Auch wenn es mir nicht leicht fällt. Ich weiß schon jetzt, dass ich mit meiner Meditations-Praxis einiges erreicht habe - und ich weiß, dass dies etwas ist, was ich bestanden haben will - auch wenn ich noch nicht genau weiß, wozu.

Zynische Meike

Wenn ich mich fühle wie ein gefangener Panther, dann spüre ich immer wieder auch großen Zynismus in mir aufsteigen. Ich frage mich dann zum Beispiel, warum sie unbedingt einen lispelnden Mann für die deutsche Übersetzung gewählt haben (er ist einer der großen deutschen Lehrer erfahre ich später). Besonders belustigt bin ich über den Bodyscan, der beim Unterbauch aufhört und dann wieder bei den Oberschenkeln ansetzt. Ist denn dazwischen nichts, was unsere Aufmerksamkeit braucht? Ist der Scan für Barbie und Ken gedacht?

Auch über das Essen denke ich zynisch: Es ist genau von der Sorte, die echten Gleichmut erzeugt: Nicht so schlecht, dass man sich aufregen könnte, aber auch nicht so, dass man "lecker!" rufen möchte. (Später erfahre ich, dass das wohl nur in Deutschland so ist und dass die Teilnehmer in in Österreich und der Schweiz vom Essen geradezu begeistert sind).

Ich mag mich gar nicht, wenn ich in jeder Suppe ein Haar finde. Ich stelle fest: Ich habe hier einfach viel zu viel Zeit für Gedanken, die mir ansonsten - in meinem normalen Leben - gar nicht in den Sinn kämen. Aber warum denke ich darüber so zynisch? Ich könnte ja auch Milde walten lassen.

Gleichmut - Gleichgültigkeit - Gelassenheit

Auch heute geht es im Diskurs wieder darum, dass unser höchstes Ziel der Gleichmut ist, da ja sowieso nichts bleibt. Anicca!

Nachdem ich für den Diskurs die englische Variante gewählt habe, bin ich immer in einem Extra-Raum, den der Lehrer der Männer beaufsichtigt während unsere Lehrerin im deutschen Vortrag weilt. Von dort, wo ich sitze, habe ich einen sehr guten Blick auf ihn. Wie Buddha sitzt er dort im Lotussitz und man kann keine Gefühlsregung in seiner Mine lesen. Hier und da hebt er kurz die Hand, dann kommt sein Gehilfe herbei-geeilt, dem er dann etwas ins Ohr flüstert. Meist wird direkt darauf einer der Männer gerügt, der zu schief sitzt oder sonst etwas falsch macht.

Immer wieder frage ich mich: Ist das tatsächlich mein Zielbild?

Was geht in diesem Mann vor? Ist er bereits bei totaler Gleichmut angelangt? Es ist insofern spannend, weil ich mich durchaus mit dem Gros der hier gelehrten Philosophie einverstanden erkläre. Da ist nichts, was mir groß aufstößt. Sich von Anhaftungen zu befreien ist doch gut, oder? Aber wenn ich dann zu so einer Statue werde, dann will ich mir ehrlich gesagt doch lieber meine Anhaftungen behalten! Ich frage mich, wo die Motivation für jegliches Tun herkommen soll, wenn einem alles einerlei ist. Ist Gleichmut das gleiche wie Gleichgültigkeit? Ich weiß es nicht. Lange suche ich nach dem Wort, das ich tatsächlich erreichen will. Und es ist  nicht Gleichmut, sondern Gelassenheit. Da will ich gerne hin! Das scheint mir nicht so abgehoben und isoliert von der Welt.

Dankbarkeit

Aber auch zwischen den schwierigsten Momenten kommt immer wieder die Dankbarkeit durch für das, was ich habe. Ich will auf jeden Fall auf dem Rückweg meines Schwester besuchen, denn mit ihr hatte ich schon im Vorfeld viel über Vipassana gesprochen und ich weiß, dass sie sehr begeistert war. Ich freue mich darauf, meine Kinder und meine Eltern bald wiederzusehen und dass ich sie alle habe und dass wir es schön haben miteinander. Und ich freue mich auch schon unbändig auf meine erste Enkeltochter, die im Oktober kommen wird.

All das, der Frust und die Liebe dürfen nebeneinander sein. Anicca!

Jetzt ist es auf jeden Fall absehbar und nicht mehr all zu lange!

68 quadratisch gespiegelt

Tag 9 - Gelassenheit

Noch einmal tief

Und genau diese gewünschte Gelassenheit kann ich nun langsam in mir spüren. Nun ist es wirklich absehbar. Ab morgen 10 Uhr dürfen wir sprechen, es ist also echt nicht mehr lang.

Ganz ohne den ständigen Druck von Goenka, die wenige Zeit noch gut zu nutzen, fühle ich nun selbst den Wunsch, noch so tief wie möglich zu kommen.

Und tatsächlich gelingt mir alles immer schneller und leichter! Wenn ich denke, dass ich noch vor wenigen Tagen kaum eine Minute auf meine Nasenlöcher konzentriert bleiben konnte, dann merke ich erst, wie viel geschehen ist!

Meine Süchte

Immer wieder hat Goenka in den Diskursen über Suchtkranke berichtet, die durch Vipassana vom Alkohol und von Drogen losgekommen sind. Meine Sucht ist wohl das Tun! Schon lange wünsche ich mir, mehr zu sein und weniger zu tun - und heute ist da eigentlich nichts mehr, das mich davon abhalten würde, denn meine Kinder sind groß und das Business läuft gut. Und dennoch arbeite ich fast immer! Weil ich es liebe. Aber auch weil ich wohl projekt-süchtig bin, wie ich mir hier und jetzt eingestehen muss. 

Wie wird es weitergehen. Werde ich in Zukunft weniger tun und mehr sein? Vorgenommen habe ich mir das schon öfter. Wir werden sehen, wie sich diesbezüglich Vipassana auf mich auswirken wird!

Lese-Zwang

Meine Mutter erzählt, dass ich schon mit 4 Jahren lesen konnte. Mein ganzes Leben lang war ich eine Leseratte. Doch Bücher mitzunehmen ist hier natürlich auch verboten.

Mit einem Lachen stelle ich fest, dass ich begonnen habe, jede T-Shirt Aufschrift genau zu studieren. Das fällt mir vor allem auf, als eine Meditierende vor mir ein Retro T-Shirt von der AC DC World Tour 80/81 trägt, auf dem alle Tour-Länder vermerkt sind. Eines der Länder kann ich einfach nicht lesen und verbiege mich so gut ich kann, um es dennoch zu entziffern. Es war übrigens Dänemark. Offensichtlich habe ich nun tatsächlich alle angebrachten Gebots-Schilder "ausgelesen" und suche dringend weiteres Lese-Futter! Schon komisch, so ein hungriger Geist!

Tag 10 - Schweigen brechen

Was habe ich zu sagen?

Heute nach der Morgen-Meditation dürfen wir wieder reden. Ein komisches Gefühl, denn ehrlich gesagt ist mir diesbezüglich nicht wirklich etwas abgegangen. Natürlich will ich wieder reden dürfen, aber das pressiert ehrlich gesagt nicht sonderlich.

Viel lustiger finde ich die Begründung, die Goenka liefert: Er meint, wir brauchen 24 Stunden, um uns nach und nach wieder an die so schnelle Welt da draußen anzupassen und daher kann er uns nicht einfach so entlassen.

Lustig ist das in Anbetracht dessen, dass die Aufnahme aus 1991 stammt! Damals habe ich gerade ein Jahr auf Zypern verbracht. Handys gab es sowieso noch nicht - und ein Fernseh- oder Telefon-Anschluss war für uns Expats so unerschwinglich teuer, dass ich auch das nicht hatte. Mein Freund, der damals ein Blauhelm war, schlief öfters im UN Quartier. Alles, was wir hatten, um einander zu erreichen war ein Pager. Wenn dieser summte, dann machte ich mich zu Fuß auf den Weg zur nächsten Telefonzelle - was vor allem im Winter wo der Ort fast unbewohnt war, einer Szene aus einem Horrorfilm ähnelte.

Unvergleichbar mit der Welt, in die wir heute nach Vipassana hinaustreten!

Wechselbalg!

Und dann ist es so weit! Rund um die Meditations-Halle ist weiterhin Schweige-Gebot, doch außerhalb dieses (natürlich mit blauen Kordeln gekennzeichneten) Bereichs herrscht großes Hallo! Viele der Frauen, die eben noch mit steinerner Mine herumgelaufen sind, sind kaum wiederzuerkennen.

Schon nach wenigen Minuten herrscht fröhliches Getratsche, das bis zur Abreise nicht mehr verebbt. Ich hatte mir schon während des Schweigens Gedanken gemacht, welche der Damen ich näher kennenlernen möchte und beginne nun diverse Gespräche. Vor allem meine Zimmer Kollegin Silvia steht ganz oben auf der Liste. Und tatsächlich haben wir uns viel zu sagen. Wenn ich es mir ausgesucht hätte, ich hätte nicht besser wählen können!

Was mich am allermeisten verwundert: Scheinbar hat niemand den unendlichen Stundenplan so erlebt wie ich. Alle empfanden ihn als Stütze. Vielleicht liegt das daran, dass wohl fast alle entweder Angestellte oder Studentinnen sind, die starre Zeit-Raster einfach viel mehr gewohnt sind als ich mit meinem freien Leben.

Alle Schleusen offen

Eigentlich hatte Goenka gewarnt, dass ab der Rede-Erlaubnis die Meditation nicht mehr sonderlich ernst genommen werden wird. Doch bei mir ist das Gegenteil der Fall: Bei allen weiteren Meditationen bin ich zutiefst gerührt und muss vor Freude und Liebe in mir jedes Mal viele Tränen vergießen. Scheinbar kann ich jetzt erst richtig loslassen und spüren, wie weich  mich diese Tage gemacht haben und wie sehr es mich im Kern berührt, dass ich mir von Herzen für die ganze Welt "real peace, real harmony & real happyness" wünsche.

Zudem lernen wir am letzten Tag auch noch die Metta Meditation, in der es darum geht, unsere Liebe in die Welt zu tragen. Ja, das will ich!

Als eine der Damen bei Tisch sagt, wie dankbar sie ist, dass hier alles so schön für uns vorbereite wurde, fühle ich mich zutiefst beschämt über all meine Unzufriedenheit das Essen und des kleinen Zimmers mit knarzenden Dielen betreffend. Ich habe das peinliche Gefühl, ein echter Schnösel gewesen zu sein.

Ab jetzt täglich 2 Stunden meditieren?

Im Diskurs erklärt uns Goenka, dass wir ab jetzt täglich morgens und abends je eine Stunde Vipassana betreiben sollen, um weiterzumachen. Er meint, dass das nur viel klingt, aber dass diese Praxis sich auf jeden Fall bezahlt macht.

Ich habe natürlich schon in den Tagen zuvor darüber nachgedacht, wie es weitergehen soll. 2 Stunden scheinen mir offen gesagt zu viel. Für mich stellt sich viel eher die Frage, ob ich diese 10 Tage überhaupt wiederholen möchte. Noch gestern hätte ich wohl mit einem klaren Nein geantwortet, doch es ist wohl wie mit dem Kinder kriegen: heute kann ich es schon nicht mehr ganz ausschließen, dass ich eines Tages wiederkomme - wenn auch nicht bald. Zuerst muss ich wohl vergessen, wie eingesperrt ich mich gefühlt habe. Doch ich weiß schon jetzt, dass so manches in mir neu geordnet ist - zum Guten (auch wenn es mir ja auch davor nicht schlecht ging).

Mein erster Schritt wird sein, mich einmal näher über das Center in Wien und dessen Tags-Veranstaltungen zu informieren.

Wir bekommen dann auch noch einen Vortrag darüber wie wir auf zukünftigen Vipassana Retreats auch mit körperlicher Arbeit mithelfen können. Eine Sache, die ich noch vor Kurzem ganz prinzipiell eigentlich ausgeschlossen hätte. Doch  nun erfahre ich, dass dies doch einige Vorteile trägt: Man schweigt dann nur wenn man außerhalb des Dienstes ist, ansonsten kann man sich viel mit den anderen austauschen. Lesen ist auch erlaubt - und sie sind so dankbar für jegliche Hilfe, dass man sich auf keine bestimmte Zeit verpflichten muss, sondern auch für einzelne Tage kommen kann. Vielleicht ist das ein guter Weg, um mit Vipassana in Kontakt zu bleiben und um mehr Insider-Wissen zu erhalten? In Linz wird eben ein großes neues Zentrum gebaut, vielleicht gehe ich da mal ein paar Tage helfen hin, wer weiß!

Tag 11 - Abreise

Küche putzen

Bevor die lang ersehnte Abreise startet, gilt es zuerst noch, freiwillig beim Putzen mitzuhelfen. Ich bin in der Küche eingeteilt und putze Kühlschränke und Regale. Einige Menschen haben sich ganz offensichtlich schon verdünnisiert - und als ich endlich den Koffer zu meinem Auto trage, ist der Parkplatz schon fast leer. Willkommen in der Realität, in der dann doch nicht alle den gleichen Gemeinschaftssinn haben! Doch ehrlich gesagt hatte ich es gar nicht so eilig zu gehen. Die letzten Gespräche waren alle sehr aufschlussreich und spannend und ich konnte noch einen tiefen Einblick in die Internas von Vipassana gewinnen. Doch nun ist es Zeit zu gehen.

Zurück in die Realität

Ich hatte mir vorab Gedanken gemacht, wie ich aus Vipassana aufwachen möchte und wusste, dass ich keine 7stündige Autofahrt auf mich nehmen wollte. Zudem hatte ich zu viel Sorgen, gleich in Arbeit zu versinken, falls ich direkt nachhause fahre. Daher habe ich mir noch ein paar Tage Privat-Yoga in der Nähe von Nürnberg gebucht. Somit musste ich nur 2,5 Stunden fahren. Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit hörte ich kein Hörbuch, sondern nur Musik und versuchte zu verstehen, wie es mir gerade geht.

Nachdem ich viel zu früh dran war, um gleich bei der Yoga-Lehrerin aufzuschlagen, suchte ich mir ein Lokal im Nachbarort und lud dort erst mal meine Geräte. Die meisten Teilnehmenden hatten bereits im Center alles wieder eingeschaltet. Darauf hatte ich keine Lust gehabt. Und auch jetzt hätte ich das ehrlich gesagt noch gut bleiben lassen können, doch natürlich siegte nun die Vernunft in meinem Unternehmerinnen-Hirn.

Alles gut gegangen - sozusagen

Über 1000 eMails waren in meinem Postfach! Doch die mussten warten, denn ich wollte sie erst innerhalb der nächsten Tage abarbeiten. Das wichtigste war, mich bei meiner Familie zurückzumelden. Danach kam meine Assistentin Karin dran. Sie hatte ich gebeten, eine Liste mit den dringendsten Dingen zu erstellen. Ein paar Kleinigkeiten waren nicht ganz so gelaufen, wie geplant, doch alles in allem ist alles auch ohne mich gut gelaufen - wie fein!

Die einzige Ausnahme, die meine Assistentin natürlich doch stark mitgenommen hatte: Die Leiterin der Jahres-Ausbildung, der ich kurz vor Vipassana geschrieben hatte, dass ich nur eines von 4 Modulen besucht hatte und schon die Hälfte bezahlt habe und denke dass das reicht, ließ mich über ihre Anwältin wissen, dass ihr das nicht reicht und sie jetzt und hier das Geld für die gesamte Ausbildung (an der ich nicht weiter teilnehme) einfordert! Das war natürlich ein Schock für Karin - und ehrlich gesagt auch für mich, denn tatsächlich schuldete ich in Realität gerade mal seit 2 Wochen eine Monatsrate. Doch niemand suchte das Gespräch mit mir oder mahnte mich, sondern mir wurde gleich von einer Anwältin gedroht. Die Frau, die in ihrem Büchern über "wahren Wohlstand" schreibt, will wohl doch in erster Linie ihren Wohlstand wahren - mit allen Mitteln und von Anfang an mit harten Geschützen! Interessanter Ansatz!

Doch auch das war natürlich schnell vergessen. Es war wohl mein erster Test, wie viel Frieden ich in mir habe..

 

Posteingang 1000

3 Wochen später - Fazit

Was hat sich geändert?

Schon 3 Wochen sind vergangen, seit ich Vipassana beendet habe. Momentan mache ich Urlaub in Kroatien und komme nun endlich dazu, diesen laaangen Blog-Artikel zu schreiben, den ich schon während meines Retreats so oft im Kopf verfasst habe.

Zeitweise waren diese 10 Tage schon sehr schwierig für mich. Das latente Gefühl des Eingesperrt-Seins, war manchmal fast unerträglich. Und doch weiß ich, dass ich mir ein Geschenk gemacht habe, ein Reset, das mich die Welt ein paar Tage anhalten hat lassen. Gleich  nach dem Yoga ging es natürlich wieder heftig weiter: Ich hatte vor meiner Reise den Webinarathon initiiert, dieser ging  nun ins Finale. Und ich half meiner Tochter, eine Wohnung in Budapest zu finden, wo sie die nächsten zwei Jahre arbeiten wird. Und noch so einiges mehr. Zusammen mit dem Droh-Brief der Anwältin hatte ich also jede Menge Realitäts-Checks, ob ich nun tatsächlich Dinge anders machen werde.

Das Schöne: Ich war auch schon davor äußerst zufrieden mit meinem Leben! Es geht bei mir immer nur um weitere Optimierung. Und doch: Die will ich wirklich von Herzen. Und ich will täglich noch mehr wissen, wofür ich hier bin und wie ich der Welt noch mehr dienen kann. Und ein paar Antworten habe ich sicherlich gefunden, auch wenn ich diese noch nicht alle genau in Worte fassen kann.

Checkliste

Wenn ich vergleiche mit dem, was ich dir eingangs als Gründe genannt habe, warum ich das Ganze gemacht habe, dann stelle ich Folgendes fest:

Erstens: Ja, ich wurde tatsächlich sehr aus meiner Komfortzone katapultiert und bin dadurch gewachsen. Am schwierigsten war das Gefühl eingesperrt zu sein und immer unter Menschen sein zu müssen und damit eine von vielen zu sein und mich den Regeln anderer zu unterwerfen. All das hat meinen Individualismus  den ich ansonsten täglich leben darf - sehr getriggert.

Außerdem: Ich musste erkennen, wie sehr ich immer im Tun orientiert bin - ja geradezu süchtig danach bin. Dass ich alles immer sofort googeln will, in Notizen fassen will, umsetzen will - und dass manchmal ein Nichts-Tun besser wäre. Um mehr ins Sein zu kommen. Um weniger zu tun. Und auch um es besser zu tun!

Zweitens: Ja, auch meine Meditations-Praxis ist gewachsen. Ich komme sofort hinein und praktiziere momentan täglich (allerdings meist nur eine halbe Stunde in der Früh und keine zwei Stunden).

Trotzdem bin ich immer vorsichtig, eine Sache als die Einzige zu sehen und bilde mich daher auch an anderen Stellen über Meditation weiter. Ich kann die Vipassana Philosophie voll und ganz für gut erklären - und das ist schon verwunderlich, denn ich hatte schon einige Berührungen mit indischen Gurus (zum Beispiel durch Yoga) und bin meist zu irgendeinem Zeitpunkt entsetzt davongelaufen, da ich die Dogmen nicht ausgehalten habe.

Hier spüre ich nur ehrliches Interesse daran, Frieden in die Welt zu bringen - und nirgendwo ist eine Kassa, die am Ende stetig "Katsching!" macht. Und trotzdem: Das mit dem Gleichmut ist in der Form, wie ich sie erlebt habe, nicht mein Ziel. Es ist mir too much! Ich will lachen dürfen, Menschen umarmen, vielleicht auch einmal traurig sein - und niemals gleichmütig! Ich will vom Leben berührt werden, will Ziele haben und diese eifrig verfolgen - auch wenn es manchmal Holzwege sind. Das bedeutet: Praktizieren ja, Endziel unbekannt. In jedem Fall will ich mich auch noch mit anderen Meditations-Praxen auseinandersetzen, um ein größeres Bild zu entwickeln.

Drittens: Ist wohl der schwierigste Part und nur die Zukunft wird zeigen, ob ich tatsächlich mehr ins Sein komme oder weiter mein Leben lang emsig tue. Die meisten meiner Freundinnen lassen sich eben pensionieren oder gehen in Teilzeit-Rente, das ist für mich gänzlich unvorstellbar (hallo, ich bin 55!!!) Mir kommt vor, ich nehme gerade erst richtig Schwung! Aber vielleicht finde ich mir dennoch einen Weg, der auch mehr Zeit für Müßiggang und Kontemplation lässt. Jetzt, wo ich bald das erste Mal Omi werde... Wir werden sehen.

Viertens: Ich hatte große Befürchtungen, dass genau durch das viele Sitzen am Boden meine Schmerzen besonders stark sein würden. Doch - obwohl sich mein Körper mit einem Art Dauer-Muskelkater stetig gemeldet hat - hatte ich kaum die Art von Gelenksschmerzen, die mir manchmal die Tränen in die Augen treiben. Erste Anflüge behandelte ich bald damit, dass ich meine Aufmerksamkeit in Gleichmut an jene Stellen fokussierte. Und was soll ich sagen: Es hat geklappt! Ich hoffe, das geht so weiter! Auch die Yoga-Lehrerin, bei der ich nach Vipassana ein paar Tage war, war begeistert davon, wie gut ich in meinen Körper spüren konnte - und so auf ihre spezielle Art damit arbeiten konnte.

Fünftens: Ja, es war eine gute Entscheidung, es endlich zu tun. Ob ich es wieder tun werde, weiß ich noch nicht. Wenn, dann wohl nicht bald. Aber ich werde mich weiterhin mit der Philosophie des Vipassana und allgemein mit Meditation beschäftigen. Das ist sicher so!

Wenn auch du Lust darauf bekommen hast, es einmal auszuprobieren, dann mache es einfach. Denn: Was hast du zu verlieren? Ich bin immer dafür, sich selbst an die eigenen mentalen Grenzen zu bringen. Denn dort ist immer der größte Wachstum. In diesem Sinn:

Live Your Full Potential!

Und natürlich auch:

May all living beings live in real peace, real harmony and real happyness!

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Liebe Grüße aus Kroatien!

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Wer ist Meike Hohenwarter?

Meike Hohenwarter ist Mentorin für wirksame Online Business- und Marketing-Strategien und gilt in der DACH-Region als führende Expertin für Online Kurse, Online Kurs Abos und Online Communitys. Unter dem Motto „Live Your Full Potential – Bring dein Wissen in die Welt“ hat die digitale Strategin in den vergangenen 12 Jahren mehr als 500 Trainer, Berater und Coaches darin begleitet, im Netz selbst ein erfolgreiches Online Business zu starten und mit ihrem Experten-Wissen gutes und regelmäßiges passives Einkommen zu erzielen.

Meike Hohenwarter gehört nicht zu den Ferrari-fahrenden beziehungsweise Helicopter-fliegenden Schreiern der Branche und verspricht auch keine Erfolge über Nacht. Stattdessen lehrt sie konsequenten, nachhaltigen Businessaufbau. Besonders hervorgehoben wird von Kunden ihre begeisterte und lebendige Community, Meikes Bodenständigkeit und ihre Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge einfach zu erklären. „Bei Meike versteht es jeder!“

Mit weit über 100 erfolgreich vermarkteten Online-Kursen, einem Following von über 60.000 Teilnehmer:innen und einer Durchschnittsbewertung von über 4,5 von 5 Sternen für ihre Online Kurse gilt Meike Hohenwarter schon lange als die "Online Kurs Queen".

Ihr Wissen und ihre umfassende Erfahrung gibt sie auch in ihren Bestseller-Büchern weiter. Ihre Keynote Vorträge sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz auch in Offline- und hybriden Events sehr gefragt.

2 Kommentare

  1. Veröffentlicht von Marion Glück am 30. August 2024 um 22:56

    Ach, wie herrlich, liebe Meike.
    Ich freue mich, dass du dein Retreat gemeistert hast.
    Wieso einen die Menschen nicht ansehen? Diese Frage stellte ich mir auch und in der Meditation kam die Antwort: weil wir auch mit den Augen kommunizieren und auch ein Lächeln sagt etwas. Aber hey, wir können ohnehin nicht nicht kommunizieren, richtig? Also sagt auch der „Ignore-Modus“ ganz viel.
    Und weshalb es auf Spendenbasis im Anschluss läuft? Weil dann niemand meckern kann und die, die ein Problem mit dem Annehmen von Geschenken haben, schön mit sich selbst konfrontiert werden. Herrlich.
    Diese Meditation macht so viel.
    Ich wollte 2021 die Vipassana für Führungskräfte machen und fragte mich: Schweigen Führungskräfte anders? Bis heute bin ich neugierig, wie sich dieser Kurs von den anderen unterscheidet. Bisher habe ich es nicht geschafft.
    Ich freue mich auf den Austausch.
    Liebe Grüße und welcome back.
    Marion

    • Veröffentlicht von Meike Hohenwarter am 31. August 2024 um 8:18

      Danke Marion für deine Einsichten! Es war und ist auf jeden Fall ein interessantes Experiment!

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